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Aufs Hertz genau

Selbst ein Dutzend Hz Abweichung verursacht im praktischen Funkbetrieb selten Probleme. Aber es macht Spaß, mit nichts als etwas Geduld und ohnehin vorhandenen Bordmitteln das eigene Gerät auszureizen und eine Genauigkeit zu erreichen, die im Bereich der Kurzzeit-Frequenzkonstanz eingehender Kurzwellensignale liegt.

Als neugieriger Mensch möchte ich wissen, wie genau die von meinem TRX angezeigten Frequenzen eigentlich sind. Weiter bietet das Gerät in den Tiefen des Menusystems eine Einstellmöglichkeit für Frequenzkalibrierung, für die ich einen möglichst sinnvollen Wert finden möchte. Nur wie?

Der Plan

Die Idee ist ganz einfach: Gebraucht wird ein Sender, dessen Frequenz stabil, genau und bekannt ist. Diese Frequenz wird mit dem eigenen Transceiver gemessen. Kommt dabei nicht die bekannte Frequenz des Senders heraus, stimmt die Frequenzkalibrierung des eigenen Geräts nicht und wird entsprechend angepasst (falls möglich).

Hochgenaue Sender

AM-Sender (mit ihren ständig ausgesendeten Trägern) eignen sich besonders, um ihre Frequenz zu messen. Besonders geeignet sind die hochpräzisen Zeitzeichensender auf genau 5, 10, 15, 20 und 25 MHz. Dabei ist es gleichgültig, ob die US-amerikanischen empfangen werden oder zum Beispiel ihre chinesischen Pendants: Wenn sie zu hören sind, sind sie erste Wahl. Aber leider sind sie das oft nicht. Alternativ funktionieren auch die russischen Zeitzeichensender RWM auf 4996, 9996 und 14996 kHz gut, von denen meist mindestens einer empfangbar ist.

Allerdings senden sie nur in den ersten 7:55 Minuten jeder halben Stunde einen Träger. Die außerhalb dieser Zeiten ausgestrahlten Impulsfolgen sind weniger geeignet. Das folgende Bild zeigt den Wechsel von Impulsfolge zu Träger in der Wasserfall-Anzeige:

Wasserfallanzeige des WSJT-X Programms. Unten ist noch ein Spektrum mit vielen Linien zu erkennen, wie die Impulsfolgen es erzeugen. Sie sind für Frequenzkalibrierung nicht gut geeignet. Um Punkt 10:00:00 Uhr schaltete der Sender um auf Dauerträger. Im Wasserfall ist das an einer einzelnen, klar definierten Linie zu erkennen.

Ebenfalls hochgenau ist die Frequenz des Langwellen-Rundfunksenders der BBC auf 198 kHz.

Für den Empfang genügen meist die ohnehin vorhandenen Amateurfunkantennen. Sie mögen für diese Frequenzen nicht gedacht sein, aber in aller Regel ist trotzdem was zu hören, da unsere üblichen Geräte im KW-Bereich erhebliche Verstärkungsreserven haben.

Warm laufen lassen

Ehe es wirklich los geht, sollte das Gerät warmgelaufen sein. Im Internet wird zu Stunden und teilweise sogar Tagen Warmlaufzeit geraten. Mein IC-705 ist schon nach etwa 40 Minuten brauchbar stabil, wie der folgende Graph zeigt, der beim Empfang eines 10 MHz Zeitzeichensignals entstanden ist. Die y-Achse zeigt die Abweichung in Hz, die x-Achse die abgelaufende Zeit seit Beginn der Messung (eine kurze Zeit nach dem Einschalten) in Minuten.

Graphik einer Frequenzabweichung über der Zeit. Die Frequenzabweichung beginnt bei etwa 5 Hz. Nach etwa 10 Minuten ist sie auf 1,5 Hz abgesunken, nach 20 auf etwas unter 1 Hz, nach etwa 40 Minuten bleibt nur noch Frequenzrauschen von etwa ±0,5 Hz. Die Kurve zeigt die ganze Zeit ein Rauschen von etwa ±0,7 Hz. Eine zweite Kurve zeigt das Warmlaufen als exponentiell abfallenden, geglätteten Verlauf.

Frequenzvergleich von einfach bis genau

Wie nun die Frequenz eines fernen Senders messen? Die einfachste Methode: Transceiver auf USB schalten und Schwebungsnull suchen. Damit ist eine Genauigkeit von vielleicht 20 Hz erreichbar.

Geht das besser? Aber ja! Wer eine Stimmgabel hat, kann mit der Stimmgabelfrequenz 440 Hz abgleichen. Wenn der Ton aus dem Lautsprecher mit dem Ton der angeschlagenen Stimmgabel “schwebt”, müsste die TRX-Frequenzanzeige genau 440 Hz unter der nominellen Trägerfrequenz liegen. Passt es? Mit dieser simplen Methode lässt sich eine Frequenzgenauigkeit von ein oder zwei Hz problemlos erreichen.

WSJT-X

Aber das geht noch besser, wenn ein Computer vorhanden ist mit dem bekannten FLOSS-Programm WSJT-X, zu bekommen bei https://wsjt.sourceforge.io/wsjtx.html. Es läuft unter Linux, auf dem Mac und sogar unter Windows. Wer ein funktionierendes FT8-Setup mit WSJT-X hat, ist bestens versorgt. Aber es ist in einem ruhigen Shack noch nicht einmal nötig, Funkgerät und Computer miteinander zu verkabeln: Die Akustikkopplung vom Lautsprecher zu einem Computermikrofon oder Headset reicht in aller Regel auch.

FreqCal als Königsweg

Neben bekannter Funktionalität wie FT8 und WSPR bietet das Programm eine Möglichkeit zur “Frequenzkalibrierung”. Ähnlich wie bei der Stimmgabelmethode wird der Empfänger auf USB etwas unterhalb der zu messenden Frequenz eingestellt, hier allerdings nicht nur 440 Hz, sondern 1500 Hz tiefer (normalerweise, andere Werte sind einstellbar). Mit seiner DSP-Algorithmik misst WSJT-X nun die Frequenz der resultierenden NF. Bei präzisem Empfänger müsste sich eine NF-Frequenz von genau 1500 Hz ergeben.

Praktische Durchführung

Die praktische Durchführung der hier vorgeschlagene Messung mit dem Programm WSJT-X ist in der Anleitung beschrieben, die es von der WSJT-X-Website auch in deutscher Sprache gibt.

Hier nur einige Hinweise über das dort Gesagte hinaus: Wenn “measure” aktiviert ist (siehe gelbe Markierung im folgenden Screenshot), werden die gemessenen Frequenzen in die Datei fmt.all geschrieben. Zum Verzeichnis, das diese Datei enthält, lässt sich navigieren mit “File” / “Open log directory”.

Ich empfehle, zu Beginn einer Messkampagne “measure” zu setzen, aber es nach wenigen Messwerten wieder auszuschalten. Damit ist sichergestellt, dass es die Datei gibt und sie gefunden werden kann. Als Nächstes wird sie gelöscht. Das beseitigt zuverlässig Reste eventueller früherer Messungen und schafft klare Verhältnisse.

Anschließend ist es bequem, “measure” nur dann zu aktivieren, wenn ein brauchbarer Sender brauchbare Messwerte liefert. Alternativ kann, wer weiß, wie das geht, die Datei auch mit einem Texteditor öffnen und alle Zeilen manuell löschen, die zu unsicheren Messwerten gehören. (Es ist übrigens auch möglich, die Datei für Auswertungen in eine Tabellenkalkulation einzulesen.)

Anders als die Anleitung empfehle ich nicht, während des Messens “Tools” / “Execute calibration cycle” zu aktivieren. Ist das aktiviert, schaltet der Empfänger automatisch jede halbe Minute von einer konfigurierten Frequenz zur nächsten. Das funktioniert natürlich nur, wenn überhaupt eine CAT-Verbindung zwischen Computer und Funkgerät besteht. Bei einem “fliegenden Aufbau” mit Akustikkopplung ist die im Programm angezeigte Frequenz am Funkgerät manuell einzustellen, tunlich, während “measure” nicht gesetzt ist. Aber auch mit CAT rate ich eher dazu, die Frequenzen manuell zu wählen, insbesondere, weil die RWM-Sender ein gut benutzbares Signal nur in den ersten knapp 8 Minuten jeder halben Stunde liefern.

Das rote “OOB” (“out of band”) warnt übrigens nur davor, auf so einer Frequenz senden zu wollen, ist hier also irrelevant.

Wer der Anregung der Anleitung folgen will, Frequenzen, auf denen gerade nichts zu hören ist, aus der Frequenzliste zu löschen, sollte vorher zu einer eigens für die Messung angelegten Konfiguration gewechselt haben.

Das Funkgerät tunen

Wer bei seinem Gerät die entsprechende Möglichkeit hat, kann nun eine Frequenzkalibrierung vornehmen. Eine über den ganzen Kurzwellenbereich aufs Hertz genau stimmende Frequenzanzeige ist durchaus erreichbar.

Nach jeder entsprechenden Änderung am Gerät ist die dadurch veraltete fmt.all zu löschen, ehe der Erfolg der Änderung mit weiteren Messungen beurteilt wird.

Lohn der Mühe!

Ummittelbar nach einer besonders gelungenen Gerätekalibrierung attestiert das Programm meinem TRX weniger als 0,01 ppm Frequenzungenauigkeit, das entspricht weniger als 1/3 Hz Abweichung über den gesamten Kurzwellenbereich:

Im Hintergrund ist der Kalibrierungsbildschirm von WSJT-X zu sehen. Es wurde am 1.5.2024 eine Frequenz von 14996 kHz empfangen, die gemessene Abweichung liegt bei -0.08 bis -0.09 Hz. Der Haken "Measure" ist gesetzt. Darüber kopiert ist das Popup "Good Calibration Solution". Für die Frequenz wird eine Steigung von -0,006±0,002 ppm bei einem Achsenabschnitt von 0,00±0,02 Hz berechnet, bei N=9 (was ist N?) und einer Standardabweichung von 0,04 Hz.

Um auf diese Weise eine Kalibrierung zu überprüfen, kann einfach ein Zeitzeichensender empfangen werden. Die DF-Spalte sollte Werte innerhalb von ±1 Hz zeigen, wie dies im Bild der Fall ist, die gezeigten Werte sind sogar innerhalb ±0,1 Hz. Enthält fmt.all Werte von Messungen bei mindestens zwei verschiedenen Frequenzen, kann auch über “Tools” / “Solve for calibration parameters” das ebenfalls im obigen Bild sichtbare Popup aktiviert werden. (Es erscheint allerdings immer über der Mitte des Hauptfensters, beim Bild handelt es sich diesbezüglich um eine Montage.) Liegt “Slope” im Bereich ±0,030 ppm und “Intercept” im Bereich ±0,10 Hz, so kann das Ziel “auf ein Hertz genau” als erreicht gelten.

Wer im Popup auf “Apply” drückt, speichert die angezeigten Daten als Korrektur in die Konfiguration von WSJT-X ein. Das ist vor allem dann nützlich, wenn eine Frequenzkorrektur am Gerät selbst nicht durchgeführt wurde. Trotzdem werden die Frequenzangaben damit genauer, aber nur innerhalb von WSJT-X.

Der FMT-Wettbewerb und die Fehlerquellen

Welche Genauigkeit kann erwartet werden?

Die ARRL veranstaltet regelmäßig den Frequency Measurement Test “FMT”. Bei diesem Wettbewerb geht es darum, die Frequenz von vier jeweils eine Minute lang ausgestrahlten Dauerträgern möglichst genau zu bestimmen.

(Eine veraltete Beschreibung, wie erfolgreich am FMT teilgenommen werden könnte, bietet die deutschsprachige Anleitung “FMT_User”, die die WSJT-X Webseite bereithält. Die dort empfohlene Software existiert nur noch teilweise, die eigentliche Funktionalität ist in das Hauptprogramm WSJT-X übernommen worden. Ich bezweifle, dass es sich noch lohnt, diese Beschreibung zu lesen.)

Die FMT-Wettbewerbsergebnisse ermöglichen einen Einblick, wie genau Frequenzen von Kurzwellensignalen mit Amateurmitteln üblicherweise messbar sind: Bei der Aprilausgabe 2024 konnten zwar 80% der Teilnehmenden alle Frequenzen genauer als ein Hz bestimmen, aber nur etwa ein Drittel kam sogar auf Genauigkeiten von unter einem halben Hz bei allen vier Trägern.

Die Hauptfehlerquelle dürften Frequenzschwankungen durch die Ausbreitung sein. Denn die Ionosphäre ist keineswegs immer gleich hoch, sondern die (effektive) Höhe schwankt ständig. Diese Höhenschwankungen verursachen über den Dopplereffekt Frequenzschwankungen der reflektierten Signale. In der Praxis wackelt die Frequenz über die Ionosphäre empfangener Signale im Bereich einiger Zehntelhertz. Das resultierende Frequenzrauschen ist in der obigen Graphik deutlich zu erkennen, die das Aufwärmen zeigt.

Eine weitere, deutlich kleinere Fehlerquelle findet sich in der Zeitbasis der benutzten Soundkarte. WSJT-X zeigt die gemessene Frequenz und ihre Abweichung vom Zielwert keck auf 0,001 Hz genau an (siehe obigen Screenshot), was natürlich nicht allzu ernst zu nehmen ist. Wer sub-Hertz-Genauigkeit anstrebt, mag dafür die Samplerate der verwendeten Soundkarte ausmessen und in Rechnungen einbeziehen. Im Programm “fldigi” gibt es passende Funktionalität für die Messung der Samplerate. Wie das geht, beschreibt ein Artikel von JC Gibbons (N8OBJ).

Und der Sender?

Augenscheinlich sind moderne Geräte hinreichend “transceive”, d.h., sie senden auf derselben Frequenz, auf der sie auch empfangen. Das entspricht zumindest meiner Alltagserfahrung auf den Bändern. In den Anleitungen für WSJT-X gibt es keine Diskussionen dazu. Dabei ist die Frequenzgenauigkeit in den nur jeweils 200 Hz breiten WSPR-Bändern bei Senden und Empfang gleich relevant, vor allem bei Frequenzen am Rand eines solchen Bandes.

Ein einfaches Experiment dazu ist, dass zwei Stationen in FT-8 Verbindung miteinander aufnehmen und die eine sich genau auf die Frequenz der anderen setzt. Stimmen danach (auf beiden Seiten) die eigene Sendefrequenz und die Empfangsfrequenz der jeweils anderen Station aufs Hz genau überein, so sind beide Stationen höchstwahrscheinlich aufs Hz genau transceive. Wenn es ganz dumm kommt, könnte dabei allerdings ein Versatz der einen Station einen gleich großen, entgegengesetzten Versatz der anderen genau kompensieren.

Eine pingeligere Methode, herauszufinden, ob eine Station A transceive ist, benötigt zwei weitere Stationen B und C. B hat zunächst die Aufgabe, in einem Amateurfunkband einen Träger zu senden. A empfängt ihn, misst die Frequenz und setzt sich dann genau auf diese Frequenz (z.B. mit “tune” im WSPR oder FT8-Modus, bei einer Konfiguration ohne aktive WSJT-X-interne Frequenzkalibrierung). Nun senden A und B im halbminütlichen Wechsel jeweils ihren Träger auf dieser Frequenz. C hört beide ab, misst die Frequenzen und vergleicht.

Dieser Text ist eine Adaption für diesen Blog eines Artikels, den ich zuerst in der Amateurfunkzeitschrift CQ DL des DARC veröffentlicht habe. Ich hatte beim ursprünglichen Einreichen des Artikels mit der Redaktion vereinbart, dass das Material der CQ DL nur für eine initiale Frist exklusiv zur Verfügung stehen würde. Die ist inzwischen um.

Wer einen Fediversezugang hat und diesen Text diskutieren will, dem empfehle ich, meinen Ankündigungströt zu beantworten oder sein englischsprachiges Äquivalent.