Morsen in der Öffentlichkeitsarbeit

Morsen ist in unserem kulturellen Bewusstsein tief verankert. In verzweifelter Lage gelingt es manchem pfiffigen David, mit Hilfe des Morsen die entscheidende Botschaft am bösen Goliath vorbei zu schmuggeln und so die Situation (oder gleich die ganze Welt) zu retten. Solche Erzählungen finden sich in Kinderbuchabenteuern genauso wie in abendfüllenden Hollywoodfilmen. Und übrigens gibt es durchaus auch reale Ereignisse, die ähnlich abgelaufen sind.

Nicht umsonst bezeichnen wir Morsen als “immaterielles Kulturerbe der Menschheit”. Die deutsche UNESCO hat es schon als solches offiziell akzeptiert, international arbeiten wir Funkamateure noch daran.

Von dieser kulturellen Verankerung des Morsens können wir Funkamateure in unserer Öffentlichkeitsarbeit profitieren. Wir sollten allerdings vorsichtig sein, dabei nicht das Vorurteil zu füttern “Amateurfunk ist ein aussterbendes Hobby alter Männer an ihren Morsetasten”.

Mein Vorgehen

Ich habe meinen Spaß, bei Stadtfesten, Messen und ähnlichen Gelegenheiten den Amateurfunk zu präsentieren und das Morsen dabei zu nutzen. Dabei kommt mir zugute, dass ich selbst gerne morse und mich dafür begeistere. Wie gehe ich vor in der Öffentlichkeitsarbeit?

Viele lassen sich durch diese Ansprache anlocken. Ich erzähle dann über das Morsen und auch über das Amateurfunkhobby allgemein. Es ist mir wichtig, dabei zu erwähnen, dass Morsen nur eine Sparte unseres schönen Hobbys ist und es da auch sehr modernes Zeug gibt. Hierbei helfen entsprechende Exponate auf dem Tisch, zum Beispiel die laufende FT-8 - Station. Die Karte von PSK-Reporter, wo letztere gehört worden ist, ist in dem Zusammenhang auch recht nützlich. (Nach Aufruf das eigene Call einsetzen.)

Ansonsten schwärme ich als öffentlichkeitsarbeitender Funkamateur gerne von allem, was mir selbst Spaß macht in unserem schönen Hobby. Und das ist ja nun nicht wenig.

QRM-Probleme

Dieser ganze Ansatz basiert darauf, dass Piepsen die Aufmerksamkeit erregt. Im September war ich bei einem Kietzfest, das eine reiche Fülle an Lärm und Geräuschen bot: Eine Lautsprecheranlage beschallte das ganze Geländer so ziemlich ununterbrochen. In so einem Umfeld stellen die Leute natürlich die Ohren auf Durchzug und reagieren folglich nicht mehr auf akustische Ansprache. Mein Morsen zog kaum noch Aufmerksamkeit auf sich.

Ich überlege, nächstes Jahr den Stand um ein großes Plakat zu ergänzen, “Morsen selbst ausprobieren” oder so etwas.

Ansprache von Kindern

Gerade auf Stadtfesten gehören oft neugierige Kinder zum Publikum.

Im Grundschulalter bis zur Pubertät funktioniert folgendes gut:

Der Morsepiepser

Es gibt haufenweise Schaltungen für Morsepiepser, und es kann Spaß machen, selbst eine zu entwerfen. Vieles, was so entsteht, funktioniert im ruhigen Zimmer prima.

Für eine etwas lautere Umgebung bei der Öffentlichkeitsarbeit brauchen auch Morsesignale etwas mehr “Wumms”. Hier folgt eine erprobte Schaltung, die ein paar hundert Milliwatt Output erzeugt, was für eine übliche Messe- oder Stadtfestumgebung passend ist.

Morsepiepser mit LM386 NF-Verstärker, Beschreibung folgt im Text

Normalerweise nutze ich vier NiMH-Mignonakkus für die Speisung. Bei dieser Betriebsspannung ist die Lautstärke passend für Umgebungen, bei denen mensch die Stimme noch nicht erheben muss, um verstanden zu werden. Mit höherer Spannung wird es lauter.

Das verwendete Allerwelts-NF-Verstärker-IC LM386 und den restlichen benötigten Kleinkram findet sich vielleicht in der eigenen Bastelkiste. Aber auch, wenn nicht, bleibt der finanzielle Gesamtaufwand für das Material im unteren einstelligen €-Bereich. Da ist ein kleiner Lautsprecher schon mit dabei, allerdings weder die Akkus noch eine Taste.

Ich habe diesen Morsepiepser auf einer Lochrasterplatine aufgebaut.

Barrierefreie Beschreibung der Schaltung

Der Ausgangsanschluss eines LM386 NF-Verstärkers treibt über einen 100μF Elko einen 8Ω Lautsprecher. Die “Gain”-Anschlüsse 1 und 2 sind miteinander verbunden, was die Verstärkung maximiert.

Von der Verbindungsstelle zwischen Elko und Lautsprecher gibt es zwei Signalpfade zu den Eingängen des Verstärkers: Zum “+”-Eingang führt ein Spannungsteiler 10:1, gebildet aus einem 15kΩ und ein 1,5kΩ Widerstand. Zum “-“-Eingang geht es über ein 47kΩ Trimpoti (mit dem die Tonhöhe eingestellt werden kann) in Serie mit einem 15kΩ Widerstand. Außerdem ist der “-“-Eingang über einen 100nF-Kondensator mit Masse verbunden, also mit dem Minuspol der Spannungsquelle.

Als Spannungsquelle habe ich 4 Mignonenakkus NiMH in Reihe genutzt, was eine Gesamtspannung bei etwa 5,5 V ergibt. Parallel zur Spannungsquelle liegt ein 100μF Elko. Der Pluspol ist mit dem entsprechenden Anschluss des LM386 verbunden.

Das Bisherige ergibt einen recht lauten Oszillator, gut für die mittelmäßig laute Umgebung der Maker Faire, für die er gebaut worden ist. Die Speisespannung kann zwischen 4 und 12V gewählt werden, was entsprechend leisere oder lautere Signale erzeugt. Das erzeugte Signal selbst ist ein Zwischending zwischen einem Rechtecksignal und einem Sägezahn. Interessanterweise ist die Spitze-Spitze-Spannung am Lautsprecher höher als die Speisespannung, wofür die Induktivität des Lautsprechers sorgen dürfte.

Die bisher besprochene Schaltung ist ziemlich genau übernommen aus dem LM386er Datenblatt (von National Semiconducters, August 2000).

Wie den Oszillator tasten? Das Problem ist, eine Tastung ohne Chirp hinzukriegen. Nach einigen Versuchen nutze ich dafür einen Feld-Wald-Wiesen NPN Transistor (konkret war es ein BC546): Der Kollektor wird mit dem “+”-Eingang des Verstärkers verbunden, der Emitter mit Masse. Ein Wiederstand von 15kΩ zwischen der Basis und dem “+”-Pol der Speisespannung sorgt dafür, dass dieser Transistor durchgeschaltet ist (in der Sättigung), was den Oszillator zum Verstummen bringt, da der “+”-Eingang des Verstärkers nach Masse kurzgeschlossen wird.

Die Taste schließt die Basis des Transistors nach Masse kurz.

Bei 5,4V Speisespannung zieht der Oszillator etwa 70mA Strom, was auf knapp 400mW Input hinausläuft. Bei offener Taste verringert sich der Strombedarf auf 5,6mA.

Früheres Material

Ich nutze Morsen schon seit langem in der Öffentlichkeitsarbeit. Einen recht launigen Artikel von mir, vom Inhalt ähnlich diesem hier, wurde erstmals im DARC “Newsletter Öffentlichkeitsarbeit 8/2017” veröffentlicht. Der Newsletter ist m.W. nicht mehr öffentlich zugänglich, daher kopiere ich den Text meines Artikels einfach hier hinein:

Morsen zieht

Spannende Abenteuerbücher, in denen geheime Botschaften mit Morsezeichen ausgetauscht werden, kursieren auch in heutigen Kinderzimmern. In verschiedene Genres für Erwachsene, vom Agententhriller bis zum Weltraumepos, finden sich immer mal wieder improvisierte Morseverbindungen: Isolation wird durchbrochen und dringend benötigte Hilfe herbeirufen, oder es geht darum, einen scheinbar übermächtigen Gegner mit Morsen zu überlisten. Der Subtext ist positiv: Morsen ist pfiffig. Morsen ist cool.

Das können und dürfen wir Funkamateure für unsere Öffentlichkeitsarbeit ausnutzen. Wir sind die Community, die das Morsen pflegt und betreibt.

Ich benutze Morsen seit Jahren gerne in meiner Öffentlichkeitsarbeit. Um den „letzten Meter“ zu überbrücken - durchaus ganz buchstäblich! Wir haben unseren Stand aufgebaut - und nun ist jemand drauf und dran, vorbeizugehen, ohne uns überhaupt zu beachten. Was tun? Ein (nicht zu lautes!) Gepiepse ertönt. Was ist das? Der suchende Blick findet mein vergnügtes Gesicht. Unverdrossen weiter gebend, frage ich fröhlich: „Schon mal jemanden gesehen, der tatsächlich morst?“ Nicht immer, aber oft funktioniert diese Einladung: Die oder der Angesprochene wird neugierig und kommt herüber. Denn kaum jemand hat tatsächlich schon so jemanden erlebt.

So zieht das Morsen: Die Besucherin oder den Besucher zum Stand, in eine gute Grundneugier hinein und vor allem hinein in den Kontakt, ins Gespräch.

Nun muss ich Passendes zu erzählen haben. Was das ist, variiert - je nach Gegenüber und Veranstaltung.

Beim entspannten Volksfest sind es hauptsächlich Kinder, die auf das Morsen aufmerksam werden. Ihnen schildere ich, wie mühsam früher wichtige Nachrichten mit Postkutschen oder berittenen Boten überbracht werden mussten: hoppeldihoppeldihoppel! Aber dann wurde Strom entdeckt! Und der war schnell! Mit Händeklatschen wird eine Sekunde markiert und mit ausladenden Armbewegungen schicke ich den rasend schnellen Strom quer durch Deutschland, dann Europa, schließlich fünfmal um die ganze Erde, bis diese eine Sekunde endlich um ist! (Wer es nachrechnet, bedenke bitte den Verkürzungsfaktor des Kabels.) Über die Landtelegraphie geht es dann zum Schiffsfunk. Endlich Nachrichten auf hoher See! Es folgen die Rettung von Bord der sinkenden Titanic und verschiedene segensreiche Notfunkvorschriften, die damals erlassen wurden, darunter das Seenotrufzeichen SOS. Ob die Kinder SOS aus einem Buchstabensalat heraushören? Wird sofort ausprobiert! Wann immer wir es hörten, halfen wir Funkamateure jahrzehntelang immer wieder Menschen aus Seenot. Schließlich übernehmen in den 90ern Computer den Notfunk auf den Schiffen, dort wird jetzt nicht mehr gemorst. Aber wir Funkamateure morsen immer noch, und haben unseren Spaß dabei!

Und nun sind die Kinder selbst an der Reihe. Wenn dann ein Kind nach dem anderen (sie kommen meist im Zweier- oder Dreierpack) mit voller Konzentration seinen Namen aus dem Alphabet zusammensucht und ich den hinterher ansagen kann: Das sind magische Augenblicke!

Neulich auf der Berliner Maker Faire war ein ganz anderer Ablauf gefragt. Hier sind hauptsächlich Erwachsene anzusprechen. Passend zur Veranstaltung ist meine These: Morsen ist gut für den Selbstbau! Demonstriert wird dies zunächst an einem bereitstehenden Morsepiepser. Der ist selbstgebaut - aus einem Bausatz in Heftzweckentechnik der JugendTechnikSchule Berlin. Der OpAmp-Piepser an meiner Taste auch. Als nächstes lässt sich im Messelärm leicht plausibel machen, dass Morsen aus größerer Entfernung aufzunehmen ist als gleichlautes Sprechen. Ich gebe die Faustregel aus, dass 5 W Morsen etwa so weit reicht wie 100 W Sprechfunk. Beispielhaft für eine typische Ausrüstung für 5 W Morsen liegt ein mit Polklemmen selbst konfektionierter handlicher Batteriehalter für zehn Mignonakkus auf dem Tisch, und daneben zeigt mein selbstgebautes „Blue Cool Radio“, dass es keinen Lüfter braucht. Logisch, dass 5 Watt-Geräte einfacher zu bauen sind. Morsen ist gut für den Selbstbau! Als nächstes komme ich vielleicht darauf zu sprechen, dass beim Handy das Gerät, in meinem Fall als Funkamateuer aber ich als Mensch, geprüft worden bin. Wir sind also auf der Selbstbaumesse Maker Faire der Stand der Leute, die Funkgeräte selbst bauen dürfen.

Egal, wo ich Morsen vorstelle: Auf „SOS“ werde ich fast jedes Mal angesprochen. Ich demonstriere dann gerne, wie deutlich diese Tonfolge heraussticht (deshalb hatte man sie damals gewählt) und wie sie (als Betriebszeichen) ohne die sonst üblichen Pausen zwischen den Buchstaben zu geben ist. Eine andere Frage, die eher selten kommt, aber manchmal eben doch: Ob Funkamateure nicht alles alte Männer sind? (Und ihr Hobby, so geht der Gedankengang wohl weiter, gerade mit ihnen ausstirbt?) Bei der Maker Faire war das besonders leicht zu parieren, da Mitglieder von D23 als meine Nachbarn am Stand SDR vorstellten - die Mehrzahl von denen sind keine 30. Relativ häufig wird gefragt, wie (ob) man denn Funkpartner findet zum Morsen? Wie unproblematisch das ist, wissen wir. Es lässt sich prima untermauern mit dem Log einer gelungenen Bergaktivierung, mit Schilderung eines CW-Fielddays oder ganz schlicht mit ein paar bereitliegenden schönen, bunten QSL-Karten.

Also: Habt Ihr demnächst einen Tag der offenen Tür in Eurem Clubheim geplant? Einen Stand auf einer Messe? Oder sonst einen Auftritt in der Öffentlichkeit? Findet Ihr bei Euch jemanden, der Freude am Morsen hat und Lust darauf, diese Freude mit jedem zu teilen, der davon hören will? Dann lasst ihn ran! Und unterstützt ihn! Auch wenn viele in Eurem OV mit Morsen nichts anfangen können: Gebt dem Morsen eine Chance! Denn: Morsen zieht!